Permakultur ade

am

oder Wie ich mich gegen Verantwortung sträubte, und sie dann doch für mich übernahm.

Zwei Seelen wohnten ach in meiner Brust. Der Gedanke ans Café reizte mich. Konnte ich überhaupt noch backen? Und wenn, dann würde die pflanzenbasierte Küche eine große Rolle spielen. Aber da stand ich doch erst am Anfang meiner Experimente, zumindest was das Backen anging. Und überhaupt: Ich alleine? HILFE, das war doch gar nicht zu schaffen. Ohne Geld sowieso nicht. Es gab keinen Ofen, keine Kaffeemaschine, kein Geschirr…Also oder doch? Es arbeitete, es gärte in mir. Und so wich ich auf die einfachste Lösung aus. Ich beschloß, dass anderen zu überlassen. Blöderweise waren meine Freunde, Schwestern sowie meine (erwachsenen) Kinder der Meinung, dass es da überhaupt keine Diskussion darüber gebe, OB ich den Schritt machen solle. Letzter Ausweg fr mich: ab zur Vermieterin mit der Frage, OB sie mich denn überhaupt wieder als Mieterin nehmen würde. Und auch ihre Antwort war nicht dazu geeignet, mich aus der Affäre zu ziehen:“Wenn jemand das Café wieder zum Laufen bringen kann, dann Du.“. Da hatte ich den Salat an der Backe und einen Wohnwagen dazu. Zum letzteren später mehr.

Im Anschluß an diese schmeichelhafte Aussage, stellte sie aber auch eine Bedingung, die sie als unumstößlich kennzeichnete. Um eine Garantie für das Projekt zu haben, müsse ich mit einem bestimmten Unternehmensberater zusammen arbeiten. Daraufhin schilderte ich ihr meine aussichtslose finanzielle Situation und wurde mit einem: „Du schaffst das schon irgendwie“ „belohnt“. Na gut, einen Termin mit diesem Berater konnte ich ja machen, der würde das dann als aussichtsloses Unterfangen abstempeln, und ich hätte wieder meine Ruhe. War ja dann nicht meine Schuld, wenn das nicht ging, die Umstände erlaubten es dann eben nicht. Andererseits rief mich etwas an die Küste. Und wenns nur an den WE zur Erholung sein sollte.

Ob es dieses Rufen war, das mich auf Ebay-Kleinanzeigen rumstöbern ließ? Keine Ahnung. Das Schicksal geht seltsame Wege. Und so stand da auf einmal ein Wohnwagen zu verschenken. Direkt am Strand, keine 10 km vom Café entfernt. Kurzer Anruf, Inspektion. Ergebnis: Viel Müll (im Wagen), kein Gas und ich konnte Glück haben, wenn es nicht reinregnete. ABER ganz viel Abenteuer, Strom und geiler Standort, direkt hinterm Deich. Handschlach 😉 und fertig war die Laube. Ok, noch nicht ganz. Glücklicherweise hatte mein Schwesterchen einen Transporter zur Hand und Zeit mit anzupacken. Und so haben wir uns eine Woche vor Ostern im Schneetreiben daran gemacht das Vorzeit aufzubauen. Leider ohne Erfolg. Kaputt. Und etwas frustriert und noch mehr frierend verließen wir den Ort im Bewusstsein, dass ich schon eine Woche später dort auf unbestimmte Zeit einziehen wollte.

Zwischenzeitlich war nämlich einiges passiert. Zuerst der Termin bei besagtem Berater. Im gesamten Konzept stimmten wir überein – klar hatte ich mir Gedanken gemacht, wie Zielgruppe, Angebot und Marketing aussehen sollten. Dann kam es zur Darlegung meiner finanziellen Mittel – und innerhalb von 10 Minuten war ich hinauskomplimentiert worden. Na nicht ganz. Eher bekam ich einen Eindruck davon, wie die meisten solcher Berater arbeiten. Mag sein, dass derjenige bisher ein erfolgreiches Unternehmen geführt hat. Leider hat das zu sehr starren materiell verhafteten Denkmustern geführt, die in mir Widerstand auslösten. Erst war ich erst empört über seine Arbeitsweise: Zielgabe sollte für mich sein, um mit ihm zusammenzuarbeiten, 40.000 € Eigenkapital auftreiben. Ich selbst hatte einen Kapitalbedarf – mit Puffer – von 15.000 € errechnet. Sobald ich dann auf dem Heimweg war, stieg Wut in mir hoch. So eine Vorgabe der Zusammenarbeit von meiner eventuell zukünftigen Vermieterin war doch unfair.

STOPP – war das wirklich eine unumstößliche Vorgabe? Oder war es nur in meinem Kopf ein unüberwindliches Hindernis? Waren Regeln nicht dazu da, sie genau abzuklopfen? Worum ging es wirklich? Um einen erfolgreichen Berater? Oder um ihre eigene Angst, beim nächsten Mieter wieder einen Griff ins Klo zu machen. Selbst wenn sie großes Vertrauen in mich setzte, war doch ihre Angst größer, nur deshalb hielt sie an dieser Vorgabe fest. Es war also an mir, zu zeigen, dass ich nicht nur über Fachwissen und das Gespür für Trends verfügte, sondern auch gewillt war, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, und Kampfgeist und ein um die Ecke denken zu zeigen. Mit Volldampf fuhr ich nach Hause und bekam am Folgetag den Kontakt zu einem anderen Unternehmensberater. Der nahm sich 2 Stunden Zeit für mich und meine Situation, brachte zusätzlich innovative Ideen mit ein und entließ mich mit einem 3-Punkte-Plan. Der mir zwar nicht schmeckte, aber auf meinen Berechnungen beruhte. Denn ich war überzeugt davon, dass das Projekt auch mit wenig Geld mit vorhandenen Mitteln und unter Ausnutzung von Kontakten funktionieren könnte. Dass dann alles anders kam als gedacht. Aber viel besser als erwartet, und war für mich eine wunderbare Erfahrung.

In dem Moment, als ich entschied, mich dem Cafe 100prozentig zu widmen, ging es Schlag auf Schlag. Unglaublich viel Hilfsbereitschaft schlug mir entgegen. Jeder riss sich ein Bein aus, um mir zu helfen. Aber vor allem, jeder in meinem Umfeld war überzeugt davon, dass ich dieses Projekt genial umsetze. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt waren die meisten davon überzeugter als ich. Gerade dann auch meinen Job und meine Wohnung zu kündigen – endgültige Schritte – waren meinerseits sehr Angst behaftet. Das waren Schritte, bei denen ich nicht sehen konnte, wie sie letztendlich wirklich ausgehen. Ja, ich habe mich überwunden, auch überwunden, Freunde und Familie um Geld anzusprechen – ein extrem schwerer Schritt für mich. Um so schöner, dass immer dann, wenn ich nicht weiter wußte, doch noch ein Betrag „um die Ecke“ kam. Auch dass ich letztendlich nur ein Drittel meiner Schätzung benötigt habe, ist erstaunlich. Klar, alles mit ganz heißer Nadel gestrickt, und in der Anfangsphase hatte ich einige schlaflose Nächte wegen offener Rechnungen.

Die schlaflosen Nächte waren nicht nur dem finanziellen geschuldet, sondern auch der 70 Zentimeter „breiten“ Schlafkoje im Wohnwagen. In selbigen zog ich Ostern vor einem Jahr mit ganz viel schwesterlicher Unterstützung. Wer sich erinnert, es war kalt, mächtig kalt. Ich hätte mir sicher auch Schöneres vorstellen können, als Gemeinschaftsduschen mit Außentemperatur am frühen Morgen. Andererseits, gibt es Schöneres, als seinen Morgenkaffee am Strand zu genießen?

Bis zum 1. Mai habe ich dann versucht einen Maler aufzutreiben, der die Decke des Cafés streichen sollte und wollte und habe selbst den Dreck der letzten Jahre von Jalousien, Wänden, Lampen, aus Kühlschränken und Kühltheken etc. entfernt. Relativ unspannend. Warum es gut war, so abgelenkt zu sein und warum es sich eher suboptimal auf die Vollständigkeit einer Speisekarte auswirkt, wenn man diese abends beim Weinchen entwirft, dazu mehr im nächsten Eintrag.

Ich wünsche Euch eine gute kreative Zeit ❤

3 Kommentare Gib deinen ab

  1. Reiner sagt:

    Gutes Gelingen & Grüße!

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    1. Gastroqueen sagt:

      Dankeschön, Unkraut vergeht auch trotz Zwangspause nicht 😉

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  2. Der Thomas sagt:

    Diese Abfolge von Ereignissen, die Dich dazu gebracht haben, Dein Ding durchzuziehen, haben sich verselbständigt. Du hast die Lok beheizt und dann lief sie los, Anhalten gabs nicht. Zack, Zack ging das und jetzt, ein Jahr später hast Du den Schritt zurück in die Selbständigkeit sicher nicht betreut, auch wenngleich die jetzige Situation alles andere als einfach ist. Aber Du wirst auch weiterhin diese Krise als Chance nutzen und Dich und Dein Kaffeehaus weiterentwickeln. Dafür gebührt Dir höchsten Respekt. Viel Erfolg auch für Dein 2. Jahr!
    Liebe Grüsse
    Thomas

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